Dass das :envihab mit dem Preis des Deutschen Stahlbaus 2014 ausgezeichnet wurde überrascht, denn Stahl prägt das Gebäude weder in seiner Konstruktion, noch in seiner Erscheinung maßgeblich. Die gewaltige Stahlkonstruktion, die das Dach schweben lässt, und drunter einen ebenso eindrucksvollen wie funktionalen und hochtechnisierten Innenraum erzeugt, liegt im Verborgenen.
Seltsam überirdisch schwebt der weiße Block über dem Grashügel im Campus der DLR. Das ist gar nicht so weit her geholt, denn das :envihab (Glass Kramer Löbbert + Uta Graff, Berlin), eine hochtechnologische medizinische Forschungseinheit des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin, operiert zwischen Himmel und Erde.
In acht wissenschaftlichen Modulen, darunter eine Kurzarmzentrifuge, ein PET-MRT, ein Schlaflabor, eine Unterdruckeinheit, ein Psychologielabor und ein Hörsaal, werden die Auswirkungen extremer Umweltbedingungen auf den Menschen, wie sie bei Langzeitaufenthalten im All, aber auch bei lange Zeit bettlägerigen Patienten auf der Erde, auftreten und mögliche Gegenmaßnahmen erforscht. Für jedes dieser Module gelten ebenso individuelle wie extreme räumliche Bedingungen. Die simulierte Loslösung von der Erde ist zwar nur für einen Teil der Forschungen Voraussetzung, für alle gilt jedoch, bedingt durch Schallschutz, Strahlenschutz oder wissenschaftliche Klausur, eine relative Abgeschlossenheit.
Die bizarr abgehobene Erscheinung der quaderförmigen Großstruktur spielt mit der Schwerelosigkeit. Über einem umlaufend angeschütteten Erdwall schwebt weiß verkleidet und rhythmisch perforiert das massive Technikgeschoss, abgefangen vorgeblich nur durch ein schmales zurückgesetztes Fensterband. Was so augenfällig ist, verbirgt Tragwerk und Technik, die acht Forschungsmodule liegen darunter, verborgen hinter dem Wall, räumlich gefasst und versorgt von oben. Auf einer Grundfläche von 4150 qm wurden die statisch unabhängigen Einheiten im Raster zwischen filigranen Stützen positioniert. Besucher betreten :envihab auf der Kuppe des Walls. Erst von dieser erhöhten Eingangsebene erschließt sich die Gebäudestruktur aus Überbau und Modulen. In Eingangsnähe befinden sich Hörsaal und Infrastruktur-Modul, im hinteren Bereich, von dem die Öffentlichkeit mit Glastüren ausgeschlossen wird, gruppieren sich fünf Einheiten um die Zentrifuge. Grelle Farbakzente in Schwefelgelbelb, Zitronengrün und Himbeerrot weisen bei geöffneten Türen Funktionen zu und bandförmige Lichthöfe lassen Tageslicht in die Tiefe des Gebäudes.
Eine ungewöhnliche Forschungswelt ist hier entstanden, die Laien verwundert und Wissen vernetzt.
Aus der Laudatio der Jury:
„Das Gebäudekonzept ist beeindruckend einfach, funktional und poetisch zugleich: ein riesiges Stahlfachwerk überspannt kraftvoll den Grund, der hierdurch frei und flexibel bespielbar wird für die Labormodule des Institutes. Die silbern schimmernde Metall-Haut mit kleinen und größeren Poren für Licht, Ventilation und sonstigen Austausch umhüllt das große Dach – das Filigran wird zum Monolith. Die als Podium sanft ansteigende Bodenmodellierung unterstreicht die skulpturale Qualität der Großform. Eine des Nachts leuchtende Fuge lässt das Dach förmlich schweben – ein Spiel mit tatsächlicher Schwere und scheinbarer Leichtigkeit und einem Hauch von Anspielung auf Spielbergs ‚Close Encounters of the Third Kind’.
Der Einsatz von Stahl im Dienste einer besonderen Funktionalität und Flexibilität für ein Forschungsgebäude mit extrem hoher technischer Ausrüstung und die gleichzeitig sehr gute räumliche und skulpturale Architekturqualität überzeugen.“
Uta Winterhager
Teile dieses Textes sind dem „Architekturführer Köln“ entnommen, den wir im Herbst dieses Jahres im Verlag Walther König veröffentlichen werden.
HINWEIS: Leider kann das :envihab auf dem Gelände der DLR nicht öffentlich besichtigt werden.
Zwei weitere Projekte in NRW wurden beim Preis des Deutschen Stahlbaus 2014 ausgezeichnet:
• Archäologische Vitrine Elisengarten, Aachen kadawittfeldarchitektur, Aachen
• Pumpenhaus Bochum, Umbau zum Besucherzentrum mit Gastronomie, Heinrich Böll, Essen